Dauerstress: Seine Auswirkungen auf unseren Darm – und darüber hinaus

„Der Stress schlägt mir auf den Magen.“ Aussagen wie diese tragen mehr Wahrheit in sich, als vielleicht zunächst vermutet. Stress kann sich nämlich nicht nur auf den Magen, sondern auch auf den Darm mit seinen Millionen von Darmbakterien sowie auf den gesamten Körper auswirken. Wird aus Stress irgendwann Dauerstress, so macht sich das über die Zeit auch im gesamten Körper bemerkbar – und kann sogar zu Erkrankungen führen. Mit diesem Blogartikel verraten wir dir die Zusammenhänge zwischen Dauerstress, Darm und was du dagegen tun kannst.

Dauerstress – was ist das und was sind die Ursachen?

Bloß nicht zu spät kommen, eine wichtige Frist einhalten oder Konflikte auf der Arbeit – in der heutigen Zeit tritt Stress nicht mehr nur in Gefahrensituationen, sondern im ganz normalen Alltag auf. Selbst abends beim Schlafengehen kommen viele Menschen nicht zur Ruhe: Störende Gedanken und der Versuch, diese mit Fernsehen oder sonstigem Entertainment wie Social Media abzuschalten, ist für viele Menschen heutzutage ganz selbstverständlich. Auch tagsüber füllen zahlreiche Menschen ihre Pausen mit ihrem Smartphone.

All das bedeutet für den Körper Stress, da er permanent von Reizen überflutet wird und kaum noch zur Ruhe kommt.

In seiner ursprünglichen Funktion ist Stress etwas Gutes: Er befähigt unseren Körper zu Höchstleistungen. In Stresssituationen wird der aktive Part des vegetativen Nervensystems, auch Sympathikus genannt, tätig. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, die Atemfrequenz wird beschleunigt, Puls und Blutdruck steigen an, die Muskeln spannen sich an und die Sinne schärfen sich. Für kurze Zeit ist dieser Zustand auch wichtig, beispielsweise um in Gefahrensituationen wie Flucht oder Kampf perfekt zu funktionieren. Ist die Gefahr vorüber, sinkt die Aktivität des Sympathikus und sein Antagonist, der Parasympathikus, wird aktiv – und Stresshormone wie Cortisol nehmen wieder ab.

Der Zustand „Stress“ ist somit nicht für die Dauer gemacht. Wird aus Stress sogar Dauerstress, wirkt sich dies über die Zeit negativ auf den Körper aus.

Dauerstress und sein Einfluss auf den Darm

Unter Stress steckt der Körper sehr viel von seinen Ressourcen in die Bewältigung der Stresssituation. So wird auch die Darmtätigkeit entsprechend eingeschränkt. Dies kann beispielsweise Durchfälle oder auch Verstopfungen auslösen. Bei Dauerstress können die Auswirkungen jedoch deutlich stärker ausfallen. Dieser kann sich auch negativ auf die natürliche Darmbarriere auswirken. Die Darmbarriere verhindert normalerweise, dass Giftstoffe in den Blutkreislauf gelangen können. Sie besteht aus:

  • der Darmflora mit über 1.000 verschiedenen Arten von Bakterien
  • der Darmschleimhaut
  • der Schleimschicht des Darms
  • dem Immunsystem des Darms, in dem sich über 70 Prozent der Immunzellen des Körpers befinden

Bei Dauerstress kann sich über die Zeit die Zusammensetzung der Darmbakterien verändern, da Stresshormone wie Cortisol dazu führen können, dass die Anzahl – vor allem gesundheitsfördernder – Darmbakterien abnimmt. So kann beispielsweise auch die Anzahl der Tryptophan-bildenden Bakterien sinken. Bei der Aminosäure L-Tryptophan handelt es sich um die Vorstufe des „Glückshormons“ Serotonin. Kann dieses nicht mehr in ausreichender Menge gebildet werden, so fällt es dem Körper noch schwerer, den Stress zu mindern. Sinkt die Anzahl der „guten“ Darmbakterien, können sich „schlechte“ Darmbakterien mit entzündungsfördernder Wirkung leichter vermehren. Durch diese Entzündungsreaktion kann auch die Darmschleimhaut durchlässig werden – es entsteht der sogenannte „Leaky Gut“ (löchrige Darm). Infolgedessen können einerseits weniger Nährstoffe vom Darm aufgenommen werden und andererseits Toxine (Giftstoffe) ihren Weg in den Blutkreislauf finden. Auch die Schleimschicht sowie das Immunsystem des Darms können dann betroffen sein.

Die Darm-Hirn-Achse – so wirkt sich Dauerstress auf den ganzen Körper aus

Wer die Darm-Hirn-Achse bereits kennt, weiß um die Zusammenhänge zwischen Gehirn und Darm – und wie diese miteinander interagieren. So kann sich Dauerstress nicht nur negativ auf den Darm auswirken, sondern auch den Kopf und die Psyche beeinflussen.

Bei der „Darm-Hirn-Achse“ handelt es sich um die Verbindung zwischen dem zentralem Nervensystem (Kopf, konkret Gehirn und Rückenmark) und enterischem Nervensystem (Bauch, konkret Magen-Darm-Trakt).

Dabei verfügt das enterische Nervensystem, auch „Bauchhirn“ genannt, über etwa vier- bis fünfmal mehr Nervenzellen als das zentrale Nervensystem. Da zentrales und enterisches Nervensystem über identische Zelltypen und Rezeptoren verfügen, können die beiden über den Austausch von entsprechenden Hormonen und Neurotransmittern sowie über Nervenverbindungen im Rückenmark miteinander kommunizieren. Die Darmflora mit ihren Millionen von Darmbakterien ist ein elementarer Bestandteil des Bauchhirns, da die Darmbakterien unter anderem hormonähnliche Substanzen herstellen und somit auch Einfluss auf die Kommunikation zwischen Bauch und Kopf nehmen können.

Dauerstress, Darm-Hirn-Achse und der Vagusnerv

Das enterische und das zentrale Nervensystem sind über insgesamt 12 Hirnnerven miteinander verbunden. Der Vagusnerv ist wohl der bekannteste davon. Dabei verlaufen die meisten Nervenfasern des Vagusnervs vom Bauch zum Hirn, dementsprechend gehen auch mehr Informationen aus Richtung Magen-Darm-Trakt in Richtung Hirnregion. So informiert der Vagusnerv das Hirn unter anderem über die aktuelle Lage im Darm und weiteren Organen der Bauchregion sowie zum Status quo im Immunsystem.

Der Vagusnerv spielt auch eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Stress. Der Vagus ist nämlich der wichtigste Nerv im parasympathischen System (Parasympathikus), das wie bereits erwähnt den Gegenspieler zum aktiven, sympathischen System (Sympathikus) bildet. Somit kann sich also ein gesunder Darm auch umgekehrt positiv stressmindernd auswirken.

Dauerstress, der Darm und Erkrankungen wie Migräne

Dauerstress sowie eine unausgeglichene Darmflora werden mit verschiedenen Krankheiten wie Depressionen, Angstzuständen, Übergewicht und Migräne in Verbindung gebracht.

Betrachten wir dies anhand der Migräne nun einmal etwas genauer: Von wiederkehrenden Migräneanfällen sind ca. 12 Prozent der erwachsenen Bevölkerung betroffen – Frauen ungefähr dreimal öfter betroffen als Männer.1 Zu den typischen Symptomen gehören plötzliche, starke Kopfschmerzen und zuweilen Lichtempfindlichkeit, Übersensibilität gegen Geräusche oder Gerüche sowie Übelkeit.

Stress und Reizüberflutungen zählen zu den typischen „Triggern“ von Migräneanfällen und sollten also vermieden werden. Als Auslöser für die Migräne an sich stehen unter anderem Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Entzündungsmarkern, Stresshormonen, Nährstoffen und Neuropeptiden in Verdacht. Zudem weisen diverse Untersuchungen auf mögliche Zusammenhänge zwischen Migräne und Darm hin. So könnte nach aktueller Wissenslage eine Eliminierung bestimmter Darmbakterien Migräneanfälle mindern.2

Eine Studie der University of California San Diego deutete auf eine Verbindung zwischen der Zusammensetzung der Darm- und Mundflora und Migräneanfällen hin.3

Auch verschiedene Erkrankungen des Darms wie Zöliakie, Reizdarmsyndrom, Leaky Gut oder Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa werden vermehrt mit Migräne in Verbindung gebracht.4

Dauerstress entgegenwirken – und in die Entspannung finden

Wenn der Dauerstress erstmal zum Alltag gehört, fällt es vielen Menschen zunächst etwas schwer, diesen wieder loszuwerden. Folgende Aktivitäten und Maßnahmen können dir dabei helfen, den Stress weitgehend aus deinem Alltag zu verbannen:

  • Bewusstmachung / Achtsamkeit: So einfach es klingt, so schwer fällt es vielen, den Stress überhaupt zu erkennen. Sei achtsam und nimm bewusst wahr, wie es dir in welcher Situation geht. Wann spannst du dich an? Wann verkrampfst du dich? Wann wird deine Atmung ohne körperliche Anstrengung schneller? So gelingt es dir nach und nach, überhaupt zu erkennen, ob du dich in einer Stresssituation befindest.
  • Stress loslassen: Nachdem du nun Stresssituationen erkennst, geht es als nächstes darum, dem Stress aktiv entgegenzuwirken. Dies kann beispielsweise zunächst durch einige Male bewusstes tiefes Ein- und Ausatmen geschehen, durch verschiedene Atemtechniken oder Meditation.
  • Dauerstress vorbeugen: Um die Entstehung von Dauerstress möglichst ganz zu verhindern, stehen dir verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie regelmäßige Spaziergänge, Sport, Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga, Qi-Gong oder progressive Muskelentspannung. Finde hier einfach heraus, was davon am besten zu dir passt. Bei Schlafproblemen lohnt es sich, Entspannungsübungen direkt vor dem Schlafengehen auszuprobieren.
  • Gesunde Ernährung: Um dem Darm und den zugehörigen Darmbakterien Gutes zu tun, ist es wichtig, auf eine gesunde Ernährung zu achten.

Probiotika, Präbiotika und Synbiotika für den Darm und gegen Dauerstress

Immer häufiger werden auch Probiotika, Prä- und Synbiotika mit dem Thema Gesundheit des Darms und darüber hinaus in Verbindung gebracht und entsprechend erforscht. So weist beispielsweise eine Studie aus Japan darauf hin, dass Probiotika einen positiven Effekt auf das Stresslevel haben können.5

Wie unterscheiden sich Synbiotika, Präbiotika und Synbiotika?

Bei „Probiotika“ handelt es sich um bestimmte Bakterienkulturen wie Lactobazillen und
Bifidobakterien, die als gesundheitsförderlich gelten.

Präbiotika“ sind wasserlösliche sowie -unlösliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen, Akazienfasern, Baobab, FOS oder Inulin. Zwar können diese vom Körper nicht verdaut werden, allerdings dienen sie den „guten“ Darmbakterien wie Bifidobakterien oder Lactobazillen als Nahrungsquelle.
Synbiotika“, auch „Symbiotika“ genannt, vereinen die positiven Eigenschaften von Prä- und Probiotika in Einem. So setzen sich Synbiotika zumeist zusammen aus Bifidobakterien sowie Lactobazillen und präbiotischen Ballaststoffen als Futter für diese.
Mehr über das Thema Prä-, Pro und Synbiotika erfährst du in unserem Blogbeitrag Probiotika, Präbiotika und Synbiotika – wie unterscheiden sie sich?

17. September 2023

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Quellen

  1. https://www.researchgate.net/publication/339247497_Gut-brain_Axis_and_migraine_headache_A_comprehensive_review
  2. https://www.researchgate.net/publication/339247497_Gut-brain_Axis_and_migraine_headache_A_comprehensive_review
  3. https://journals.asm.org/doi/full/10.1128/mSystems.00105-16
  4. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4240046/
  5. https://medicalxpress.com/news/2016-05-probiotics-mitigate-stress-medical-students.html